Moravia, 25. dubna 1848 - pražské poměry

Moravia, Brünn, 25. dubna 1848, č. 50, s. 200:

Prager Zustände. *

Die zweite Prager Deputation ist zurückgekehrt, und brachte große Zugeständnisse mit, so groß, daß der Billigdenkende anerkennen muß, das Ministerium durfte, ohne seine Pflicht dem ganzen Lande gegenüber zu verletzen, nicht weiter gehen. Die Stadt war glänzend beleuchtet, und Tausende bewegten sich ohne die mindeste Störung und ohne irgend eine Nachhilfe von Seite der Polizei durch die Straßen. Somit sollte jetzt jede Besorgniß vor einer Ruhestörung wegfallen, um so mehr, da selbst der gewaltige Umschwung der Dinge in den 3 Märztagen, wie die Prager mit Selbstgefühl rühmen, nicht einmal einer Fensterscheibe das Leben gekostet hat. Doch man soll den Tag nicht vor dem Abend loben! Es liegt eine schwüle Gewitterluft über der Stadt, und deutliche Vorboten des nahenden Sturmes zeigen sich. Ein Urtheil über die Stimmung einer ganzen Stadt ist nothwendiger Weise immer subjectiv, doch schien mir die Freude eine mehr äußerliche zu seyn, die Haltung der Menge schien mir so schweigend und ernst, als fühlte sie, daß wir erst am Anfange sind Trotz der friedlichen Art, in der sich hier die politischen Ereignisse bis jetzt entwickelt haben, ist die Ueberzeugung eine allgemeine, daß es zu einem Conflicte und zwar zu einem blutigen Conflicte kommen müsse. Es sind aber auch der Fragen so viele, über die eine Einigung nicht möglich ist. Die gerühmte Harmonie der deutschen und čechischen Bevölkerung besteht nur auf dem Papiere. Als die Nachricht nach Prag kam, in Wien wehe die dreifarbige Fahne, wollten die hier lebenden Deutschen eine schwarz-roth-goldene Fahne aufziehen (natürlich neben den unzähligen weißrothen Fahnen). Augenblicklich wurden sie vom Wenzels-Comité dringend aufgefordert, es zu unterlassen, weil es das Signal zu einem allgemeinen Blutbade wäre. Also ist es so weit gekommen, daß der Deutsche nicht mehr jubeln darf, über die Auferstehung des großen deutschen Vaterlandes! Auch die österreichische schwarzgelbe Fahne sieht man nirgends. Es herrscht also hier k. böhmischer, ausschließlich privilegirter Patriotismus. In Wien hat sich ein Comité gebildet, um die Rechte und Interessen der Deutschböhmen zu wahren. Warum sich in Prag kein solches Comité gebildet hat, dürfte aus obigen Andeutungen leicht zu errathen sein. Das Comité in Wien richtete ebenfalls eine Petition an Se. Majestät den Kaiser, welche der von Prag ausgehenden in manchen Stücken direct widersprach, z. B. verlangte sie engen Anschluß Böhmens an den Gesammtstaat Oesterreich und durch diesen an Deutschland. Das Zusammentreffen der zwei Deputationen desselben Landes mit entgegengesetzten Petitionen in den Vorsälen der Hofburg soll sehr lebhafte Auftritte veranlaßt haben. Die Sache wäre komisch, wenn sie nicht so traurig wäre.

(...)

* Zufällig verspätet.